Iv
Vorwort zur dritten Auflage.
wenigstens wieder näher zu bringen, — wiewohl bei einem
Buche historischen Inhalts die stets durch fortgesetzte
Forschungen und Aufhellungen sich selbst berichtigende
und erneuernde Geschichte eine stereotypen-gleiche Aus-
fertigung am wenigsten je zulasten wird.
Dem mir von Seiten mehrerer Schulmänner (dar-
unter auch Schulreferenten) kund gegebenen Wunsche,
daß ich diesem Leitfaden auch ein ausführlicheres Lehr-
buch (für Lehrer und vorgerücktere Schüler, so wie
auch für andere Bildungsbegierige) zum Begleiter ge-
den möchte, will ich, wenn mir anders Gott Kraft und
Gesundheit dazu schenkt, nachzukommen suchen. Nur
mögen die lieben und verehrten Männer, die mir diesen
Wunsch zu erkennen gaben, bedenken, daß mir die Zeit
zu einer solchen Arbeit sehr spärlich und abgerissen zu-
gemessen ist, und sich daher gedulden, wenn die Er-
scheinung derselben zögert. Indessen möge das vor-
liegende Werkchen auch fernerhin von dem Segen be-
gleitet seyn, dessen es sich bisher zu erfreuen hatte!
Grünstadt in der bayr. Pfalz, den 17. Juni 1844.
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§. 2. Die Kainiten lind Sethiten.
5
Damit aber der Mensch seinen Glaubens- und Hoffnungs-
blick nur vorwärts auf den Erlöser und auf das, durch
denselben in erhöheter Weise wieder zu gewinnende Paradies
richten möchte, so verschloß ihm die Gnadenvorsorge Gottes
den Rückweg in das durch seine Schuld verlorne Paradies,
und nöthigte ihn so, sich der W o h l t h a t der göttlichen
Züchtigung zu überlassen, durch welche seinem Glaubens-
gehorsam der Fluch der Arbeit zum Segen, und jseines
Leibes Tod zum Leben seiner Seele werden sollte.
2. Die Kainiten und Sethiten.
2. 1-!ach der Einrichtung Gottes, „daß (Ap. 17, 26)
von Einem Blute aller Menschen Geschlechter auf dem
ganzen Erdboden" Herkommen sollten, „zeugete Adam einen
Sohn", der jedoch, wie jedes seiner folgenden Kinder, nun
„seinem (des gefallenen Adams) Bilde ähnlich war", während
Eva, „die Mutter der Lebendigen," bei der Geburt jenes
ihres ersten Sohnes Kain glaubte, in ihm den verheißenen
göttlichen Erlöser („t>cu Mann, den Iehovah") geschenkt
erhalten zu haben. Irrte nun freilick/ Eva in der Person,
Weise und Zeit, so irrte sie doch nicht in der Sache, son-
dern gab durch jene Worte zu erkennen, daß sie in Bezug
auf die gottmenschliche Natur des Wiederherstellers der verlor-.
nen Seligkeit die Verheißung Gottes recht verstanden habe.
Zn Kain entwickelte sich der böse Keim zu solcher Stärke,
daß er aus Neid seinen frommen Bruder Abel erschlug.
Weil er aber, ungeachtet der Erkenntniß seiner Sünde, an-
statt Vergebung zu suchen, an Gottes Barmherzigkeit ver-
zweifelt, wird er unstät und flüchtig, und weiter gegen Mor-
gen ziehend, baut er, einzig besorgt um sein Leben, eine Stadt
zu seinem Schutze, und wird der Stammvater einer Nach-
kommenschaft, die von Gott los und abgewendet lebt, obgleich
sie nützliche Erfindungen macht, welche den Men-
schen einen gewissen, jedoch unausreichenden Ersatz für die
verlorenen Güter und Gaben gewähren.
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§. 4. Die Entstehung des Heidenthums. 11
konnte sich derselbe ihnen so wie früherhin offenbaren:
denn „der natürliche (d. i. der durch die Sünde aus dem
klaren Gotteslichte heraus- und in das trübe Naturlicht ein-
getretene) Mensch vernimmt (aus sich selbst) nichts vom Geiste
Gottes: es ist ihm eine Thorheit, er kann cs nicht erkennen."
Den Sündebehafteten blieb nur noch das allgemeine Ge-
fühl der Abhängigkeit von einem höhern Willen, dessen
sie sich nicht erwehren konnten; ferner eine schwache Erin-
nerung an einen frühern seligen Zustand, den sie sich ver-
geblich zurückwünschten; dabei ein gewisses Schuldbewußt-
seyn, das unaufhörlich nach Versöhnung treibt, und endlich
eine aus dem Gefühl des eigenen, wie des allgemeinen Elends
entspringende Sehnsucht, welche mehr oder minder stark
nach einer endlichen Erlösung verlangt.
Aus einem früher klar erkannten Gott wurde er ihnen
nun immer mehr ein verborgener Gott, den sie zwar in
ihrem Schuldgefühle und in ihrer Hülfsbedürftigkeit suchten,
aber ihn allmählig nicht mehr von seinen geschaffenen Werken
unterscheiden, daher ohne eine höhere Vermittlung nicht mehr
finden konnten. Denn sie verwechselten die Wirkungen Gottes
in der Natur mit Gott selbst, und in der Meinung, Gott
dem Schöpfer zu dienen, dienten sie den höheren oder nie-
deren Geschöpfen seiner sichtbaren oder unsichtbaren Welt.
Und auf diese Weise entstanden ihnen eben so viele Götter,
alö sie göttliche Hauptkräfte in der Natur wirken oder
Kräfte des Geistes Gottes an ihrem Innern sich beur-
kunden fühlten: denn ganz unbezeuget wollte Gott sich an
ihnen keineswegs lassen, und auch ihre Geschicke leitete er
mit seiner Allmachtshand zu einem von ihnen freilich uner-
kannten Ziel.
Getrieben von der unermeßlichen Schuld suchten sie das
Verlangen nach Versöhnung durch selbstersonnene Reinigungs-
und Heiligungsmittel zu stilleu; aber da ihre Gebete,
Büßungen und Opfer mit dem wahren Mittelpunkte des
Heils in gar entfernter und abgeleiteter Beziehung standen,
so konnten sie, als Versuche einer nie möglichen Selbsterlösung,
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50
tz. 17. Der Zug durch rie Wüste.
mit einer Reihe von Plagen heim. Obgleich seine eigenen
Zauberer am Ende darin Gottes Finger sehen, so bleibt
doch Pharao's Herz verstockt.
Erst als der Herr die Ägypter mit dem Sterben der
Erstgeburt schlug, — bei welcher Gelegenheit das Passah-
mahl (zum Andenken an das sch o n e n d e V o r ü b e r g e h e n
des Herrn vor den mit dem Blute des Lammes bezeichne-
ten Thüren der Israeliten) eingesetzt ward,— dringt Pharao
selbst in die Israeliten, das Land zu verlassen und die Ägyp-
ter, welche Iehovah's Macht fürchten gelernt hatten, gaben ihnen
gerne die Geschenke mit, welche die Israeliten von ihnen for-
derten. So erfolgte denn gegen das Jahr
1800 v. Ehr. der Auszug der Israeliten aus
Ägypten, nachdem sie 215 Jahre daselbst gelebt hatten.
Pharao's Versuch, sie unmittelbar darauf mit Gewalt wie-
der zurückzuholen, diente nur zu seinem Untergang, so wie
zur Verherrlichung Gottes an Israel.
2. Der Zug durch die Wüste.
§. 17. Eleich im Anfänge des Zuges in die Wüste erfahren die
Kinder Israels verschiedene Gnadenerweisungen Gottes. Am
Sinai angekommen offenbart sich ihnen Gott in seiner schreck-
lichen Heiligkeit. Sie erhalten das heilige Bundesgesetz,
das als Sittengesetz, Rechtsgesetz und Ceremonialgesetz von
nun an das ganze innere und äußere Leben des Volkes zu
ordnen bestimmt war.
Das Ceremonialgesetz insbesondere mit seinen vor-
bildlichen Beziehungen betraf die Stiftshütte, die Priester und
Leviten, die Opfer und die Feste.
Die Stiftshütte, als Nachbild der himmlischen Woh-
nung Iehovah's, war in zwei Abtheilungen getheilt, in das
Heilige und Allerheiligste, in welchem letzter» der Herr seine
Befehle an Mosen ertheilte.
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Extrahierte Ortsnamen: Gottes Gottes Israel Israels Gottes
tz. 38. Der athkiiäiscbe Bund und Athens Glan;.
93
Ä. Athens Vorherrschaft.
J. Der athenäische Bund und Athens Glanz.
§. 38. Vtßcii der spartanische König Pausanias auf einem
Seezuge, auf welchem er Cppern und Byzanz von den Persern
befreite, die Griechen der Inseln anmaßend behandelte, s o
s ch l o ß e n s i ch diese lieber a n A t h e n an, a l s a n
Sparta, obwohl letzteres bis jetzt noch den Vorrang be-
hauptete. Ohnedieß hielt es Sparta zur Aufrechthal-
tung der alten Sitteneinfalt für besser, seinen
Antheil an den weitern Unternehmungen gegen die Perser
aufzugeben, und beschäftigte sich zunächst mit den Angelegenhei-
ten des peloponnefischen Bundes, dessen Haupt es immer blieb.
Dadurch gewann Athen freiere Hand und wurde Haupt
der ü b r i g e n griechischen Staaten des Fest-
lands u n d d e r Inseln. Sein Streben gieng nun dahin,
einerseits die Glieder dieses atheiräischen Bundes immer
enger mit sich zu verbinden, um nach Außen gegen Sparta sich
zu decken, anderseits nach Innen seinem Gemeinwesen die
freieste Entwicklung zu geben. Auch hierbei waren Th emi-
st o k l e s und A r i ft i d e s wieder am thätigsten.
Da Athen, welches unterdeß aus seiner Zerstörung wieder
aufgebaut worden war, durch Sparta's Eifersucht fortwährend
gehindert wurde, auch seine Mauern wieder herzuftellen, so
brachte es T h e m i st o k l e s durch List dahin, daß Athen den-
noch seine Mauern erhielt. Auch betrieb er die Befestigung
des neuen Seehafens P i r ä e u s, damit, wenn Athen zu
Lande angegriffen würde, man sich in den Piräeuö zurückziehen
und durch die Flotte vertheidigen könnte.
Die Leitung der athenäischen Bundesangelegenheiten hatte
Aristides unter sich, und da besonders Seeunternehmungen
gegen Persien der Zweck dieses Bundes waren, wozu Geld
und Schiffe gegeben werden mußten: so war Niemand ge-
eigneter, die Beiträge jedes bundesgenössischen Staates gerecht
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152 $. 58. Der zweite Bürgerkrieg.
bekämpfen, und durch die Volksgunst, in der er sich durch
verschwenderische Freigebigkeit festsetzte, zum Besitz der höch-
sten Macht zu gelangen.
Um zu diesem Ziele ;u kommen, ersah er sich zu Werk-
zeugen den durch seine Reichthümer einflußreichen C r a ssu s
und den auf seinen Feldherrnruhm stolzen Po mp ejus.
Pompejus indcß hatte gleich -hochstrebende Absichten, wollte
sich aber dabei mehr an den Senat anlehnen. Doch als ihm
der Senat seine asiatischen Einrichtungen nicht unbedingt be-
stätigte, ließ er sich von dem klügeren Cäsar leicht zu einer-
heimlichen Vereinigung bestimmen, die im Jahre
60 zwischen Cäsar, Pompejus und Crassus zu Stande
kam und den Zweck hatte, sich mit Hülfe der Volkspartei in
die oberste Gewalt zu theilen.
Um aber diese oberste Gewalt allmählig allein zu bekom-
men, gieng C ä sar's nächstes Streben dahin, sich noch größe-
ren Kriegs rühm, ein ihm ganz allein ergebe-
nes Heer, und Geld zur Bezahlung seiner Ungeheuern
Schulden, so wie zur Unterstützung seiner Anhänger in Rom
zu verschaffen. Daher ließ er a l s C o n su l sich vom Volke
das eis- u n d t r a n ö a l p i n i s ch e Gallien n e b st I I-
lyricum als Provinzen zur Verwaltung anweisen (58 v. Chr.)
und späterhin deren Besitz auf weitere fünfiahre verlängern.
Pompejus dagegen glaubte sein Ziel am ersten da-
durch erreichen zu können, daß er stets in Rom blieb,
um den Senat und das Volk nach, seinem Willen zu lenken:
daß er daher, als er sich nach seinem Eonsulate die Provinz
Spanien auf fünf Jahre geben ließ, wider das Gesetz
nicht dahin abgieng, sondern deren Verwaltung von Rom
aus besorgte.
Crassus endlich, der bloß die Vermehrung seines Reich-
thums zur Absicht hatte und sich deßhalb die Provinz Sy-
rien hatte geben lassen, gieng dorthin ab und erlitt in einem
ungerechten Kriege gegen dic Parthcr eine schmähliche
Niederlage, ja kurz darauf auch, in einem verrätherischen
Überfalle von ihnen, den Tod.
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Extrahierte Personennamen: Cäsar Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Rom Gallien Rom Spanien Rom
§. 60. Anfang des römischen Kaiserreichs. t.°)7
die Schwester Octavians, verstieß, um ungestörter mit
Kleopatra leben zu können, so wurde ihm, auf Octavians
Betrieb, vom Senate der Oberbefehl in Asien abgesprochcn
und der Krieg an Kleopatra erklärt.
Die Heere und Flotten beider Theile zogen sich zusammen,
und da Antonius auf den Rath der Kleopatra, von der er sich
thörichterweise in den Krieg begleiten ließ, den Kampf zur
See vorzoz, so kam es
31 zur entscheidenden Seeschlacht bei A- c t i u m, die nach
der voreiligen Flucht der Kleopatra und des ihr folgenden
Antonius, uicht nur den Sieg, sondern auch die Allein-
herrschaft in Octavians Hände legte.
Als Octavian nach Asien und von da nach Ägypten kam,
und ihm alle Heere und Provinzen zufielen, gab sichanto-
nius mit dem Schwerte, und Kleopatra durch
giftige Schlangen den Tod.
5. Die Errichtung des römischen Kaiserreiches.
1. Die Regierung August's.
§. 60. Von nun an beherrschte Cäsar Octavianus (mit
dem nachher vom Senat ihm gegebenen Beinamen Au-
gustus) das ganze römische Reich als eine Monarchie
unter republikanischen Formen, indem er sich vom
Senat und Volk allmählig alle Gewalten übertragen und von
Zeit zu Zeit erneuern ließ, und so unter dem Titel P r i n-
ceps (oder auch Imperator in umfassenderer Bedeutung
als bisher) die höchste unumschränkte Macht besaß.
Da einerseits das Volk (in welchem längst die alt-
römischen Bürger den geringsten Theil ausmachten) zufrieden
war, wenn es nur Brot und Spiele hatte; anderseits
die Vornehmen der beständigen, Leben und Gut bedrohenden
Bürgerkriege überdrüßig waren und nach Ordnung und Ruhe
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Extrahierte Personennamen: Antonius Antonius Cäsar_Octavianus Cäsar
Extrahierte Ortsnamen: Asien Octavians_Hände Asien Schwerte
162
§. 61. Das Harren der Völker.
bäers (eines Neffen Hyrkans) auf den Stuhl David's ge-
setzt. Aber die Juden haßten den Eindringling wegen seiner
Grausamkeit und Treulosigkeit, und sein Bemühen, sich den
Juden dadurch gefällig zu machen, daß er mit großen Kosten
den Teinpel zu Jerusalem in größerer und
schönerer Weise umbauen ließ, half ihm nichts:
vielmehr verstärkte seine Tyrannei die Sehnsucht der Juden
nach Erlösung nur noch mehr.
Und siehe! die Erlösung war für die, welche ihrer in
Einfalt des lebendigen Glaubens harreten, vor der Thüre,
und sie erlebten die Erfüllung des prophetischen Wortes:
^,Bald wird kommen zu seinem Tempel der Herr, den ihr
suchet, und der Engel des Bundes, deß ihr begehret. Siehe,
Er kommt, spricht der Herr!" — Und Der, welcher
war „im Anfang das Wort, das bei Gott war, durch das
alle Dinge gemacht sind," Der, welcher die durch Adams
Sünde verlorene Ebenbildlichkeit Gottes im Menschen durch
eine geistliche Neuschöpfung wiederherstellen sollte; Der, dessen
sich die ganze Reihe der Urstammväter, der Patriarchen, der
Propheten und der übrigen Gläubigen des Alten Bundes
so lange her vertröstet hatte; Er, der „Abglanz des Vaters"
und das „Ebenbild seines Wesens", „der Weg, die Wahr-
heit und das Leben", „das Licht der Welt", das ewige
Wort des ewigen Gottes — „ ward Fleisch und wohnete
unter uns (und wir sahen seine Herrlichkeit als die Herr-
lichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater) voller Gnade
und Wahrheit!" (Joh. 1, 1—14.)
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244
Z 88. Fortgang der Reformation.
Gegnern, der allenthalben die lebhafteste Theilnahme erregte.
Um die Sache zu unterdrücken, ließ der Papst Luthern zuerst
durch den Legaten Ca je tan, dann durch den Gesandten
v. Miltiz zum Widerruf auffordern. Luther, unter dem
Schutze seines Landesherrn, verweigerte ihn, versprach aber
zu schweigen, wenn auch seinen Gegnern Schweigen auferlegt
würde. Aber sein Hauptgegner, der Professor der Theologie
zu Ingolstadt, 0. Eck, schwieg nicht, sondern forderte
Luthern zu einer Disputation in Leipzig heraus, in
welcher Luther Äußerungen that, durch die er sich nicht bloß
dem Papste, sondern der römischen Kirche selbst entgegensetzte.
Während Eck nun nach Rom gieng, um dem Papste die
Gefahr der Kirche vorzustellen, mehrte sich Luther's Anhang
außerordentlich, indem der Bürg erstand in den meisten
Städten, ein großer Theil des niedern Adels und die Mehr-
zahl der H u m a n i st e n d. i. derjenigen Gelehrten, die das
Studium der alten Sprachen betrieben, auf seiner Seite war.
Dadurch ermuthigt, schrieb Luther zwei neue Schriften, worin
er die römische Kirche in ihrem tiefsten Innern angriff, und
womit er in noch weiteren Kreisen Zuneigung und Zustim-
mung erlangte.
Freilich kam jener Beifall nicht bei Alten einzig aus der
Quelle des Glaubens; insbesondere suchten Franz von
Sickingen, Ulrich von Hutten und deren Freunde die
Reformation zugleich zur Erreichung politischer Zwecke zu
benützen, die dahin giengen, dem Adel seine, durch den Land-
frieden gehemmte Ungebundenheit und durch die Fürstenmacht
geminderte Bedeutung wieder zu gewinnen. Luther selbst
aber entzog sich ihren Anerbietungen, dem Evangelium ihre
weltlichen Waffen zu leihen, durch die Mißbilligung jeder
Gewalt in Sachen des Wortes Gottes.
Jetzt aber, nachdem Luther die Fundamente des Papst-
thums und der römischen Kirche also angegriffen, sprach der
Papst den Bann über Luther's Lehren aus und verurtheilte
seine Schriften zum Feuer. Da berief sich Luther auf ein
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Extrahierte Personennamen: Franz_von
Sickingen Franz Ulrich_von_Hutten
Extrahierte Ortsnamen: Legaten_Ca Ingolstadt Leipzig Rom Bürg Gottes
§. 62. Gründung und Ausbreitung des Christenthums. 167
Erklärung, daß er Christus der Sohn Gottes sey, dem schmäh-
lichen Kreuzestode, den er jedoch nicht gezwungen, sondern in
selbstverläugnendem Gehorsam gegen Gott freiwillig für die
Sünden der Welt übernahm, und durch diese Freiwilligkeit
als sündloser Priester und sündloses Opfer zugleich allen den
Seinigen die Frucht dieses Todes, die Vergebung der Sünden,
erwarb, so daß fortan kein anderes Opfer zu ihrer Begna-
digung nöthig ist.
Mit seinem Tode schien zwar der Triumph seiner Feinde
gesichert und die Hoffnung der Seinigen zu Schanden ge-
worden zu sepn: aber nach drei Tagen erstand er wieder von
den Todten und besiegelte durch diesen Sieg über den Tod die
geschehene Erlösung. Nachdem er seinen Jüngern befohlen
hatte, allen Völkern das Evangelium zu verkündigen und
dabei der Mitwirkung des heiligen Geistes gewärtig zu sepn,
nahm er durch seine Erhöhung in den Himmel sein Reich
ein, um es von dort aus mit der ihm vom Vater verliehenen
Gewalt auch auf Erden der Vollendung entgegenzuführen.
Und da der Tag der Pfingsten erfüllet war, wurden
die zu Jerusalem versammelten Jünger alle voll des heiligen
Geistes, der über sie ausgegossen ward, und der Erfolg ihrer
von diesem Geiste erfüllten Reden war, daß noch an diesem
Tage zu den Fünfhunderten, die schon gläubig waren, 3000
Seelen durch die Taufe hinzugethan wurden, und so eine aus
frommen Israeliten gesammelte Gemeinde zu Stande kam,
die der Glaube an den gekreuzigten und auferstandenen Jesus
von Nazareth, als den von Gott verheißenen, von den Pro-
pheten verkündigten, von den Vätern gehofften, im Fleisch
geoffenbarten Messias und König des Reiches Gottes vereinigte.
Damit war der Grund zur christlichen Kirche
gelegt, welche im Anfänge einem Senfkorne gleich, allmählig
. zu einem Baume wachsen sollte, unter dessen Schatten alle
Völker der Erde sollten Ruhe finden — und welche, gegründet
auf den Felsen des Glaubens, d. i. auf „Christus des leben-
digen Gottes Sohn", von keiner gegen sie anstürmenden Ge-
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